Geheimcode im Zeugnis auf Xing – unsere Kommentierung

Aus aktuellem Anlass: Die Karriereplattform Xing hat am 12. Mai 2023 recht prominent 7 Formulierungen im Arbeitszeugnis als Geheimcode vorgestellt. Die mitgelieferte Analyse allerdings bedarf an einigen Stellen der Korrektur. Als Experten des Haufe-Verlages haben wir dies übernommen.

Der Originaltext von Xing lautet: „Diese sieben Sätze versauen Dir Dein Arbeitszeugnis – ohne dass Du es merkst!“ Wir haben die wichtigsten Passagen und Tipps im Folgenden zitiert und kommentiert.

Zitat Xing:

1. „Es gab keinen Anlass zur Beanstandung.“

Eine schwäbische Redewendung lautet: „Ned gschimpft isch globt gnua“ – Nicht geschimpft ist gelobt genug. Für Arbeitszeugnisse gilt das allerdings nicht. Mit der Formulierung „Es gab keinen Anlass zur Beanstandung“ heben Personaler·innen hervor, dass es nichts hervorzuheben gibt. Was wirklich zwischen den Zeilen steht: Die Leistung war okay. Aber keineswegs lobenswert.

Kommentar:

Richtig – das relevante Wort ist hier „Beanstandung“, nur mit diesem wird diese Formulierung zum Geheimcode.

 

2. „Sie pflegte ein tadelloses Verhalten gegenüber Kollegen, Kunden und Vorgesetzten.“

Klingt doch gut, oder? Schließlich sind hier alle Personen aufgeführt, mit denen man im Berufsleben ein gutes Verhältnis pflegen sollte. Irrtum! Hier ist die Reihenfolge entscheidend. Vorgesetzte werden in diesem Fall zuletzt genannt. Das deutet darauf hin, dass die Arbeitnehmerin ein Problem mit Autorität hatte.

Richtig – und ebenso wichtig: das Wort „tadellos“ hat nichts in diesem Satz verloren, wenn er positiv sein soll.

 

3. „Herrn Mustermann wurden folgende Aufgaben übertragen: …“

Du bist der Meinung, dass auf diese Formulierung das wirklich Wichtige folgt: die Aufgaben. Weit gefehlt! Das Wesentliche ist schon gesagt. Denn Personaler·innen lesen: Dem mangelt es an Eigeninitiative. Das lässt sich aus der passiven Formulierung ableiten, sie lässt auf Faulheit schließen. Er hat sich die Arbeit leider nicht geschnappt und erledigt. Sie musste ihm aktiv aufgetragen werden.

Ähnlich verhält es sich mit: „Er erledigte seine Aufgaben pflichtbewusst und ordnungsgemäß.“ Heißt: Hier hat jemand nur das Nötigste gemacht und sich nicht durch besondere Leistungen hervorgetan.

[…]

Falsch – Das Passiv ist nur in gehäufter Form nachteilig!

 

4. „Sie bestellte Büromaterial mit größter Sorgfalt.“

Du denkst: „Schön, dass meinem Arbeitgeber auch solche Kleinigkeiten aufgefallen sind.“ Ein Trugschluss. Denn je mehr unwichtige oder selbstverständliche Tätigkeiten im Zeugnis aufgelistet werden, desto schlechter fällt die Beurteilung des eigentlichen Jobs aus. Auch wenn Du Dir für nichts zu schade warst und überall mit angepackt hast: Im Arbeitszeugnis sollten keine Aufgaben landen, für die Du offensichtlich überqualifiziert und überbezahlt bist. Schon gar nicht an erster Stelle bei einer Aufzählung Deiner Aufgaben. Prüfe stets, was Priorität haben sollte.

Halb richtig – Nachteilig ist diese Formulierung dann, wenn die Aufgabe absolut nebensächlich war. War der indirekte Einkauf im Fokus, kann diese Formulierung angemessen sein. Völlig irreführend sind die Punkte „Überqualifizierung“ und „Überbezahlung“, denn allein die Stellenbeschreibung und die daraus resultierenden wichtigen oder unwichtigen Tätigkeiten sind der Gradmesser, ob und wie und wo eine Tätigkeit genannt wird.

 

5. „Er war ein geschätzter Gesprächspartner.“

Aber leider nicht nur fürs Geschäftliche: Diese Beurteilung lässt durchblicken, dass hier jemand gern und viele Privatgespräche geführt hat und damit nicht nur die eigene Arbeitszeit, sondern auch die der Kolleg·innen verquatscht hat. Lange Rede, kurzer Sinn: Wer diese Formulierung in seinem Zeugnis liest, sollte trotzdem das Gespräch suchen – und zwar mit dem alten Arbeitgeber.

Falsch – die Formel „Er war ein geschätzter Gesprächspartner.“ ist nur dann nachteilig, wenn sie als einziger Teil des Zeugnisses das Verhalten beurteilt. Andernfalls kann sie sogar ausgesprochen positiv gewertet werden.

 

6. „Sie war ihren Mitarbeitern jederzeit eine verständnisvolle Vorgesetzte.“

Verständnis. Das ist doch heutzutage eine wertvolle Führungsqualität, oder? Leider nein. In der Zeugnissprache versteht man unter verständnisvoll: nicht durchsetzungsfähig und keine Autorität.

Richtig.

 

7. „Wir wünschen ihm weiterhin Glück.“

Ach, das ist ja nett, vielen Dank. Glückwünsche nimmt man doch gern entgegen ... Aber nicht im Arbeitszeugnis. Hier fehlt so einiges, bis die Abschlussformel auch beim potentiellen neuen Arbeitgeber für Glücksgefühle sorgt.

Statt „Glück“ wünscht ein zufriedener Arbeitgeber „sowohl beruflich als auch privat“, „weiterhin viel Erfolg“ und „alles Gute“.

[…]

Richtig.

 

Immerhin, die Tippliste schließt mit typischen, plakativen und richtig interpretierten Beispielen.

Bei weiteren Fragen stehen wir gern zur Verfügung.